INTERVIEW MIT GARY HOWARD
 
Nach einem virtuosen und begeisternden Konzert der Flying Pickets interviewten wir Gary Howard,
der mit Alan Parsons bei FREUDIANA und live zusammenarbeitete,
sowohl mit den Pickets als auch als Solist.

Fragen, Interviewleitung und Einführung: Giorgio Rizzarelli
Zusätzliche Fragen: Lorenzo Zencher
Transkription, Übersetzungen (Italienisch / Englisch): G. Rizzarelli, John A. Shipman, Jin

Deutsche Übersetzung aus dem Englischen von Ingo Brönstrup


Durch einen glücklichen Zufall fand im Sommer 2000, als sich einige von uns vom italienischen Alan-Parsons-Fanclub trafen, nicht weit entfernt ein Konzert der Flying Pickets statt. Sobald wir dies herausgefunden hatten, hatten wir zwei mehr als triftige Gründe, dort zu sein: ein Konzert der führenden A-cappella-Gesangsgruppe Europas zu besuchen und Gary Howard zu interviewen, der neben der Tatsache, das derzeit „älteste und weiseste“ Mitglied der Pickets zu sein, verschiedentlich mit Alan Parsons zusammengearbeitet hat: vom Album FREUDIANA bis hin zu diversen Live-Auftritten.

Tatsächlich sang Gary Howard bei FREUDIANA sowohl mit den Flying Pickets (bei Funny You Should Say That und Far Away From Home) als auch als Solist (bei No One Can Love You Better Than Me als „Universeller Vater“). Live arbeitete er erneut mit Alan zusammen. Bei den allerersten AP-Shows bei der Night Of The Proms, 1990 in Antwerpen, Belgien, als Pickets-Mitglied und auch als Solist bei der ersten AP-Europatournee im Jahr 1994. Diese wurde für die CD (THE VERY BEST OF) LIVE aufgenommen. Gary kann daher von sich sagen, in verschiedenen Abschnitten mit Alan zusammengearbeitet zu haben, einschließlich der Phase der Auflösung des Projects.

Das Konzert der Pickets, das wir besucht haben, war außergewöhnlich: die Gesangsvirtuosität der fünf Mitglieder einzigartig, die Arrangements auf sehr hohem Niveau, die Einbeziehung des Publikums war unglaublich und die Auswahl des Repertoires, das neben eigenen Songs auch hervorragende Remakes von unsterblichen Popsongs beinhaltete, bemerkenswert (siehe die weiter unten veröffentlichte Reportage).

Aber kommen wir zum Interview. Gary war sehr freundlich, umgänglich und herzlich. Als wir ihn darum baten, Exemplare von Funny You Should Say That und Far Away From Home zu signieren, begann er zu überlegen: „Der Vater... wo ist das des Vaters?“, mit einem offensichtlichen Hinweis auf No One Can Love You Better Than Me. Der englische Manager der Pickets war ebenso freundlich zu uns, als wir um das Interview baten: Sobald wir den Namen „Alan Parsons“ ausgesprochen hatten, leuchteten seine Augen. Nicht so wie die italienische Crew, die Alans Namen offenbar nie gehört hatte, aber sofort strahlte, als sie sah, was für ein schönes Bild unsere Mitgliedsausweise hatten.

 


Gary Howard signiert die Freudiana-Vinylplatte für Giorgio Rizzarelli (Autor des Interviews)

PIPELINE: Zunächst einmal ein großes Kompliment für Ihre wunderbare Show. Sie verstehen es sehr gut, das Publikum mit einzubeziehen.

GARY HOWARD: Ja, das machen wir gerne.

P: Sie, die Flying Pickets, waren die erste Gruppe Ihrer Art in Europa und haben Dutzende, wenn nicht Hunderte ähnlicher Bands inspiriert. War es anfangs schwierig, als A-cappella-Gruppe erfolgreich zu sein?

GH: Ich denke, es ist so, wie Sie gesagt haben, denn es ist ein ziemlich überschaubares Betätigungsfeld und es gibt Hunderte von Rockbands, wissen Sie, Hunderte von Boy- und Girl-Groups. Aber ich denke, wenn man im A-cappella-Bereich gute Arbeit leistet, ist man erfolgreich. Es war interessant, dass wir uns für eine zeitgemäßere Auseinandersetzung mit A-cappella entschieden haben, anstatt uns auf altmodische Genres wie Barbershop, Doo-Wop oder Jazz einzulassen. Bei allem, was wir gemacht haben, gibt es immer etwas, das uns davon abhebt.

P: Ja, in der Tat ist es offensichtlich, dass Sie sich für sehr unterschiedliche Stücke entschieden haben. Wie wählen Sie die Songs aus, die in die Shows aufgenommen werden sollen?

GH: Oh, mit Müh und Not. Während des Auswahlprozesses haben wir tatsächlich auch neues Material geschrieben, und das war besonders spannend. Ich denke, dass man beim Schreiben fokussierter ist.

P: Woran machen Sie fest, wie sehr Sie dem Original treu bleiben, wenn Sie eine Coverversion machen und welche neue Elemente Sie einbauen?

GH: Das hängt wirklich davon ab, wie es klingen soll, denn man kann aus allem einen A-cappella-Song machen. Aber ich denke, bei uns muss es am Anfang eine starke Melodie geben, ein Leitmotiv, das sich gut singen lässt. Bei vielen kommerziellen, zeitgenössischen Musikstücken muss nicht jedes Einzelelement herausstechen und der Gesang muss nicht unbedingt großartig sein. In unserem Fall hilft es, mit etwas Eingängigem zu beginnen, das etwas transportiert.

P: Wer kümmert sich um die Arrangements?

GH: Das Arrangement des Stücks, in dem ich den Jazzer gebe, das wir gegen Ende der Show spielen, ist von mir, das war eine spannende Sache. Auch Chris Brooker, unser musikalischer Leiter, kümmert sich um die Arrangements.

P: Entwickeln Sie die Arrangements auch live, ganz spontan? Oder machen Sie sich Notizen?

GH: Nein, wir schreiben nichts auf: Bei fünf Leuten muss man nur einen groben Rahmen vorgeben. Chris und ich machen zum Beispiel A-cappella-Workshops, also sind wir es gewohnt, das Material einfach vor Ort zu entwickeln, weil man dazu gezwungen ist. Wissen Sie, man muss improvisieren, dem Ganzen irgendwie eine Richtung geben.


Während des Interviews.

P: Okay, kommen wir zu einem großartigen musikalischen Leiter: Alan Parsons. Erstmals waren Sie mit der Alan-Parsons-Band auf Tour. Welchen Song haben Sie am liebsten gesungen?

GH: Nun, ich mag die von Colin Blunstone.

P: Wow!

GH: Old And Wise...

P: Ah, Old And Wise ist ein wunderschöner Song! Möchten Sie für den italienischen Fanclub von Alan Parsons etwas aus Old And Wise singen?

GH: Oh, ich kann nicht. (berührt seine Kehle) Ich kann absolut nicht. (lacht) Nein, ich fürchte... Bedauerlicherweise... (Red.: Es ist nachvollziehbar, dass ein Profi nach einem Konzert seine Stimme schonen muss.)

P: Weil es ein schwieriger Song ist?

GH: Ja, es ist ein wirklich gefühlvolles Lied. Ich habe heute Abend zwei Stunden lang gesungen und meine Stimme ist ein wenig... (macht ein paar komische, erstickte Laute) (lacht)

P: Verständlich, es hat auch eine sehr hohe Tonlage. Gab es andere Songs, die besonders schwer zu singen waren?

GH: Es war nur deshalb schwierig, weil ich seinerzeit die gesamte Arbeit für die Pickets erledigte und nicht so viel Zeit zum Proben hatte. Und so habe ich natürlich mit Tonbändern gearbeitet und in diese einiges an Arbeit hineingesteckt, aber ich war immer noch ein wenig unsicher, ob ich’s hinbekomme.

P: Aber Sie haben gute Arbeit geleistet, es war sehr originalgetreu.

GH: Nun ja. Wir haben tolle Konzerte gegeben. Haben Sie unsere Shows in Deutschland gesehen?

P: Wir haben eines auf Video gesehen.

GH: Okay.


Gary auf der 1994er-Tour mit der Alan Parsons Band.

P: Sie waren als Sänger auf Funny You Should Say That zu hören. Da es sich um ein amüsantes und außergewöhnliches Lied handelt: Haben Sie irgendwelche lustigen Geschichten darüber zu erzählen?

GH: Das Spaßigste für mich war Alex Lewis: (singt) „Well, it’s funny you should say that, it’s the most peculiar thing, yes it’s funny you should say that“ (lacht) Ich meine, er ist normalerweise ein unglaublich exzentrischer Typ; leider ist er nicht mehr Teil der Band. Er hat mit Guy Chambers zusammengearbeitet, einem preisgekrönten Musikdirektor. Aber wenn ich nur an Alex denke, muss ich lachen. Weil er fähig war, selbst die intelligenteste und kohärenteste Person zu verwirren. Er hatte die Begabung, Menschen unvorstellbar zu irritieren. Eine normale Situation konnte er innerhalb einer Minute in ‚komplettes Chaos verwandeln, weil er sie immer in den falschen Hals bekommt. Und wir konnten dem Ganzen nur zuschauen.

P: Und Sie, welche Rolle haben Sie in Funny You Should Say That gespielt?

GH: (singt) „Well it’s funny you should say that, I was looking for a man, yes it’s funny you should say that“. Ich kann mich an den genauen Text erinnern, weil das Musical gerade in Vorbereitung war also gingen wir einfach mit Alan ins Studio und er sagte, wissen Sie: (lacht) „Leg‘ den Song komisch an!“ Sehr lustig. Es war sehr seltsam, Rollen zu spielen, und wie man auf der Bühne sehen kann, schauspielern wir nicht. Ich meine, es war ein Glück, dass wir alle Schauspielerfahrung hatten, also fiel es uns nicht schwer.

P: Also haben Sie sich dabei wohlgefühlt?

GH: Auf jeden Fall, es war lustig, es war wirklich ein Riesenspaß.

P: Und wer hat die Aufnahme geleitet, Alan oder Eric?

GH: Sie haben das tatsächlich gemeinsam gemacht. Und ich denke, wahrscheinlich war es eher Alan, der Regie führte. Ich meine, Eric ist bekanntlich, er ist eher... Irgendwie... Komplizierter, wissen Sie. Manchmal ist es schwierig, mit ihm zu kommunizieren...

P: Ja, ich verstehe, er ist eher ein Eigenbrötler...

GH: ...während Alan ein sehr lockerer Typ ist.

P: Obwohl er ein Perfektionist ist?

GH: Oh, das ist er auf jeden Fall, aber wissen Sie, man wird von ihm nicht unter Druck gesetzt. Ja, wie Sie sagen, er ist sehr umgänglich. Wir sahen in ihm immer als eine bestimmte Figur aus einer Fernsehserie... In England gibt es eine TV-Comedy-Serie namens „Dad's Army“, in der es einen Typen namens John Le Mesurier gab. Er spielte den Sergeanten unter einem Captain der Heimwehr.
(Red.: Der Captain war ziemlich aufgeblasen und befahl dem Sergeanten, die Soldaten vorwärtszuschicken, während der Sergeant ein sehr moralischer Typ war und den Befehl daher nicht freiwillig weitergab.)
Und der Sergeant pflegte zu den Soldaten zu sagen: „Würde es Ihnen fürchterlich etwas ausmachen, wenn Sie sich einreihen würden?“ Und so haben wir Alan immer gesehen, weil Alan so ist, weil Alan sehr gewählt spricht. Er ist irgendwie sehr vornehm: „Würde es Ihnen fürchterlich etwas ausmachen, würde Ihnen das gefallen...“ (lacht). Nie sagte er: „Geh verd***t nochmal da rüber, mach das!“. Er pflegte zu sagen: „Würde es Ihnen etwas ausmachen...“

P: Ja, er ist ein Gentleman.

GH: Jep.

P: Wie lange haben Sie gebraucht, um Funny You Should Say That aufzunehmen?

GH: Ich glaube, wir haben das innerhalb von zwei Tagen geschafft.

P: Okay. Jetzt gibt es eine brennende Frage.

GH: Brennende Frage!

P: Ja, Sie wissen, dass die Auflösung des Alan Parsons Project, also zwischen Eric Woolfson und Alan Parsons, während der Aufnahmen zu FREUDIANA geschah.

GH: Ja, ich weiß, dass sie sich getrennt haben.

P: Ist Ihnen etwas Merkwürdiges zwischen Eric und Alan aufgefallen, während sie an FREUDIANA arbeiteten?

GH: Ich glaube, wir würden vielleicht immer noch mit Eric und Alan zusammenarbeiten, und wir haben mit Alan die Proms in Antwerpen gemacht. Alan war mit seiner eigenen Band dort.
(Red.: The Night Of The Proms 1990, drei Nächte in Antwerpen, Belgien, die ersten Konzerte der Band überhaupt. Obwohl Eric nicht auftrat, war es das einzige Mal, dass sie unter dem Namen The Alan Parsons Project live auftraten.)
Ich bin dort noch nie aufgetreten, aber die Pickets waren da und wir haben einfach mit ihnen gesungen. Wissen Sie, Alan hatte Spaß an der Zusammenkunft. Und Eric war da, aber...

P: Eric war da?!?

GH: Er war da! Aber ich meine, sozusagen hinter den Kulissen. Und er sah einfach sehr angespannt aus, wissen Sie? Ich weiß noch, wie ich zu ihm sagte: „Kopf hoch!“ …weil ich wollte wirklich nicht… Sie wissen schon, ich wollte nicht wirklich… Es geht mich sowieso nichts an, aber…

.
Während des Interviews.

P: Aber warum hat er nicht bei den Proms gesungen?

GH: Oh, es waren einige tolle Sänger dabei. Gary Brooker war da! Er war fantastisch…

P: Warum hat Eric dann nicht gespielt? Er ist ein großartiger Pianist. Und er ist der Songwriter...

GH: Ich denke manchmal, dass viele Musiker es gewohnt sind, im Vordergrund zu stehen, wissen Sie, in der Öffentlichkeit...

P: Ist er ein wenig schüchtern?

GH: Ich glaube, das ist er wohl. Und dann gibt es viele Interpreten und Sänger, keine Ahnung, die möglicherweise denken: „Ich werde mich lächerlich machen.“ Wissen Sie, Profis wie mir und Gary Brooker ist das egal, wir machen es so: Wenn jemand einen Fehler macht, okay, während...

P: Aber... Ist Ihnen eine gespannte Stimmung zwischen Eric und Alan aufgefallen?

GH: Nein. Ich meine, wenn man gemeinsam an Tracks arbeitet, gibt es natürlich manchmal Meinungsverschiedenheiten über einen Punkt, und vielleicht würde Alan sagen: „Oh, wir sollten das so machen“, und Eric würde sagen: „Ich finde, das sollten wir aber so machen“. Als wir No One Can Love You Better Than Me machten, hatte ich den Eindruck, als wäre da etwas... Das kam mir im Studio aber einfach wie eine normale Sache vor. Wissen Sie, es ist nicht immer alles eitel Sonnenschein. Manchmal sind es nur dumme Missverständnisse, also würde vielleicht eine Seite sagen: „Ich möchte das an diesem Punkt wirklich nicht.“ Und Sie müssen einfach für Ihren Standpunkt kämpfen, genau wie bei jeder anderen Geschäftsverhandlung: Sie wollen etwas und versuchen, es zu bekommen. Aber wissen Sie, in der Musik kann es sehr unterschiedlich ausgehen. Manchmal macht man was und es gefällt einem zunächst nicht, aber am Ende ist es dann doch gut. Alan oder Eric würden zum Beispiel sagen: „Ich möchte dort wirklich einen Refrain oder eine Hauptstimme haben“… Das ist einfach die Art und Weise, wie man im Studio aufnimmt.

P: Okay, das Amüsanteste über Alan?

(Gary denkt nach.)

P: Wir wissen, dass er viel Bier trinkt…

GH: Das hat mich wirklich beeindruckt! Als wir anfingen, an diesen Tracks zu arbeiten, gingen wir am Ende jedes Tages absolut feudal essen und tranken literweise Bier und anderes (lacht). Und Sie können sich vorstellen, für einen Musiker ist das… Das ist wirklich der Himmel!

P: Und er isst auch viel, nehme ich an...

GH: Er ist bekanntlich ein großer Mann... (lacht). Er ist 6 Fuß groß. Und als wir in Deutschland waren, war meine Freundin da, sie ist Deutsche und sehr klein, und als man sie zusammen gesehen hat, wissen Sie, ihre 1,57m im Vergleich zu seinen 1,93m…

P: Ja, ein Autogramm von ihm zu bekommen ist in der Tat ein Drama, weil er so weit oben ist.

GH: Aber Sie wissen selbst... Alan ist solch ein großer Mann, aber er ist gewissermaßen ein Gentleman, auf eine sehr britische Art und Weise.

P: Okay, und was ist mit Eric? Die witzigste Begebenheit?

GH: Noch ein großer Mann! (lacht)

P: Jep, auch er ist sehr groß! Okay, okay, die letzte Frage. Gibt es Pläne für eine zukünftige Zusammenarbeit mit Alan Parsons, allein oder als Mitglied der Flying Pickets?

GH: Im Moment ist nichts in Planung, aber ich habe vor, ihn zu kontaktieren, um ihm ein paar Dinge vorzuspielen. Tatsächlich habe ich mit einem Songwriter namens Pete Sinfield zusammengearbeitet (Red.: ein renommierter Songtexter, der viele Lyrics für King Crimson, ELP und Gary Brooker geschrieben hat – er war auch Leadsänger auf einem Premiata Forneria Marconi-Album), und es gibt da einige Songs, die interessant sein könnten und ganz Alans Stil entsprechen. Deshalb habe ich vor, Verbindung mit ihm aufzunehmen, damit er sie sich anhören kann und um zu sehen, ob er sie mag.

P: Dann alles Gute! Und wir hoffen, Sie in Italien wiederzusehen!

GH: Ja, ich werde auf jeden Fall nach Italien zurückkommen! Ich hoffe, wir sehen uns bei unseren nächsten italienischen Shows wieder!

 

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Stimmliche Perfektion, ein mitreißender Auftritt und ein
abwechslungsreiches Repertoire. A capella pur.
THE FLYING PICKETS:
EIN A-CAPPELLA-VOCAL-ROCK-KONZERT

Unsere Reportage vom Pergine-Gig.
Und die Termine der nächsten italienischen Konzerte.

von Giorgio Rizzarelli und Jin
in Zusammenarbeit mit Lorenzo Zencher und Viviana Modena

Deutsche Übersetzung aus dem Englischen von Ingo Brönstrup

Stratosphärisch, unvorstellbar, unnachahmlich, eine unglaubliche Lebendigkeit, es hat uns von den Stühlen gerissen. Am 24. Juli 2000 besuchten wir in Pergine im Trentino (Italien) eine unvergessliche Show. Auf der Bühne standen fünf Sänger, die nur von ein wenig Percussion unterstützt wurden. Dennoch ließen sie die Luft mit einem echten Rocksound voller Harmonie und Rhythmus vibrieren und bescherten uns eines der mitreißendsten Konzerte, das wir je besucht haben.

Die Pickets zeigten sich hoch professionell und bezogen das Publikum intensiv mit ein. Es gab Momente, in denen es die Gruppe in kürzester Zeit zu Wege brachte, die Zuhörer zum Mitsingen zu bewegen: In diesen Momenten taten die Pickets überhaupt nichts, während nur das Auditorium sang, in die Hände klatschte und hüpfte. Zwischen den jeweiligen Zugaben intonierte das Publikum Songs aus dem Repertoire, und die Pickets kamen heraus und fielen mit ein. Dinge, die man anderswo noch nie gesehen hat. Also ausgesprochen mitreißend - selbst für das sonst eher unterkühlte Trentino-Publikum.

Hochspannend also und doch mit großer gesanglicher Perfektion: Kein einziger schiefer Ton, vom Anfang bis zum Ende (und das war nicht einfach, da sie allein auf ihre Stimmen angewiesen sind). Zumindest kam es uns so vor, auch wenn uns einer der Künstler nach dem Konzert verriet, dass es doch den einen oder anderen Fehler gab. Für uns ein Beweis für ihre Akribie und Professionalität.

Die Bandmitglieder bei diesem Konzert waren Gary Howard, Hereward Kaye, Henrik Wager, Paul Kissaun und Chris Brooker. Wie bereits gesagt, begleiteten sie sich nur mit wenigen Percussion-Instrumenten: einem Tamburin, einer Art Hand-Hi-Hat, Rumba-Rasseln und etwas Fingerschnipsen. Streckenweise spielte ein Mitglied das „Gesangs-Schlagzeug“, während Brooker fast immer den Basspart übernahm, womit die Rhythmussektion komplett war. Komplexe und wunderschöne Gesangsarrangements mit perfekter Synchronizität und die variable Hauptstimme im Stil des Alan Parsons Project - je nach Art des Songs - rundeten das Bild ab und ergaben einen echten Rocksound, der dem Ruf der Pickets als Vocal-Rock-Pop-Gruppe absolut gerecht wurde. An Soul- und Jazz-Momenten mangelte es jedoch nicht. Während eines Songs improvisierte Gary Howard auf der Trompete: „Stimm-Trompete“ natürlich, aber wir können versichern, dass sie von einer echten Trompete nicht zu unterscheiden war!

Ein weiteres Markenzeichen der Gruppe ist die sehr sorgfältige Auswahl des Repertoires, das von eigenen Songs bis hin zu den besten Songs der 70er, 80er und 90er Jahre reicht. Zu den bekanntesten Coverversionen zählen Billie Jean von Michael Jackson, Time After Time von Cindy Lauper und Staying Alive von den Bee Gees, in dem Brooker aus der Rolle des Basses in die des Falsetts schlüpfte und in John-Travolta-Manier auf die Bühne kam, und tatsächlich gab es gab verschiedene Momente, in denen die Pickets ihr tänzerisches Können unter Beweis stellten. Unter den unzähligen Zugaben durfte ihre erste Single Only You, sowie ihr berühmtes Cover von Stings Englishman In New York nicht fehlen, das die Pickets kürzlich im italienischen Fernsehen aufgeführt haben.


Die Flying Pickets wärend eines kürzlichen Konzerts (Foto von der offiziellen Website).
 
Eine kurze Biografie der Flying Pickets

Die Flying Pickets stammen alle aus London und fanden sich 1982 als Band zusammen. Sie waren die ersten in Europa, die die Tradition des Vokalgesangs A cappella, d.h. ohne Instrumente, aus den USA importierten. 1983 brachte ihnen ihre erste Single Only You den europäischen Durchbruch. Seitdem touren sie beständig durch Europa, und Dutzende Gruppen ließen sich von ihrem Stil inspirieren, dessen unbestrittene kontinentale Meister die Pickets bis heute sind. Sie haben bis heute diverse Alben herausgebracht, darunter das jüngste VOX POP (1998), das vom niederländischen Label CNR veröffentlicht wurde, während 2001 ein neues Studioalbum erscheinen wird.

Der typische Picket ist oder war in irgendeiner Weise an einem West End-Musical beteiligt und ist außerdem Session-Musiker. Die Besetzung der Flying Pickets wechselt oft, so dass in der aktuellen kein Gründungsmitglied mehr mitwirkt. Seit den 80er Jahren hat sich ihre Darbietung von einer überwiegend kabarettistisch geprägten Show (die eher für ein englischsprachiges Publikum geeignet war), hin zu einem hochprofessionellen Standard gewandelt, für den ihnen ihre Bühnenerfahrung zugute kam, mit dem sie aber stets stilsicher und sympathisch herüberkommen. Aufgrund ihrer häufigen Besetzungswechsel können die Flying Pickets mehr als eine Gruppe als eine „Schule“ betrachtet werden. Und so ist es kein Zufall, dass sie derzeit Workshops zu Gesangstechniken und -arrangements für A-cappella- und Popmusik anbieten.

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Die offizielle Website der Flying Pickets
www.pickets.co.uk
Auf dieser Website finden Sie unter anderem detaillierte Informationen zu den geplanten Konzerten. Für weitergehende Informationen kontaktieren Sie uns gerne.
Das Interview und die auf dieser Seite enthaltenen Fotos wurden mit Genehmigung von Brian Wilcock, dem Manager der Flying Pickets, veröffentlicht. Wir möchten Mr. Howard und Mr. Wilcock herzlich dafür danken.