Interview mit Ian Bairnson
Aus dem italienischen Musikmagazin „Prog Italia“ Nr. 18 – Mai 2018
 
 
IAN BAIRNSON
Ein Gitarrenleben
 
Von Francesco Ferrua
Deutsche Übersetzung aus dem Englischen von Ingo Brönstrup


Ian Bairnson wurde 1953 auf den schottischen Shetlandinseln geboren und verschrieb sein Leben der Gitarre. Als äußerst gefragter Session-Musiker ist sein Name vor allem mit denen von Alan Parsons und der Band Pilot verbunden, Meilensteine seiner Karriere sind aber auch zahlreiche Gemeinschaftsproduktionen mit den prominentesten Vertretern der internationalen Musikszene.



Wann sind Sie zum ersten Mal mit der Gitarre in Berührung gekommen und wo liegen Ihre musikalischen Wurzeln?

Nun, das ist lange her, wahrscheinlich um 1959 herum, im Alter von sechs Jahren. Meine musikalischen Wurzeln waren eine Mixtur aus verschiedenen Stilen, da ich noch auf den Shetlandinseln lebte und die traditionelle Musik einer davon war. Weiterhin zählte Wes Montgomerys jazziges Gitarrenspiel, das früher oft im Radio zu hören war, zu diesen Einflüssen. Vermutlich hat Gospel mich ebenfalls geprägt. Früher habe ich hauptsächlich auf eigene Faust vor mich hin gespielt und begann, meine eigenen Lieder zu komponieren, mit der Gitarre als ständigem Begleiter.


Stimmt es, dass Sie nie gelernt haben, Noten zu lesen?

Ja, tatsächlich. Ich habe immer nach Gehör gespielt.

Der Umzug nach Edinburgh eröffnete Ihnen neue musikalische Horizonte. Ich habe gelesen, dass Sie bereits mit fünfzehn im Vorprogramm von John Mayall, der Edgar Broughton Band, Argent und Rory Gallagher gespielt haben.

Ich begann in sehr jungen Jahren und erinnere mich, dass ich mit ein paar Freunden in einem alten Lieferwagen zu den Veranstaltungsorten gefahren bin, wo wir schließlich auftraten. Schöne Erinnerungen!

Ihr Umzug nach Süden, ins Zentrum von London, stellte einen Wendepunkt dar. 1974, zu Beginn Ihrer musikalischen Karriere, mussten Sie eine Entscheidung treffen, die meiner Meinung nach nicht einfach war. Auf der einen Seite Steve Harley, der Sie als Mitglied von Cockney Rebel dabeihaben wollte – einer Band, die sich in der Musikszene bereits einen Namen gemacht hatte – auf der anderen Seite die aufstrebende Band Pilot. Warum haben Sie sich für Pilot entschieden?

Vermutlich gab ich dem Stil von Pilot den Vorzug, sowie dem Umstand, dass David Paton mich eingeladen hatte und wir alle Schotten waren.

Ihr Name ist hauptsächlich mit dem Alan Parsons Project verbunden. Neben Eric Woolfson und Parsons selbst sind Sie der Einzige in der Band, der auf jedem Album mitgewirkt hat. Ich weiß, dass Alan und Eric Ihnen und den anderen Musikern im Studio immer große künstlerische Freiheiten gelassen haben. Fühlen Sie sich in gewisser Weise für die musikalischen Arrangements einiger Songs verantwortlich?

Auf jeden Fall. Ich habe stets meine eigenen Soli kreiert und damit allen Stücken meinen persönlichen Stempel aufgedrückt. Ich fühle mich sehr privilegiert, für so lange Zeit ein Teil der Band gewesen zu sein und mit Eric und Alan zusammengearbeitet zu haben.

Nach vierzehn Jahren ausschließlicher Studioarbeit trat The Alan Parsons Project schließlich live bei der Night Of The Proms im belgischen Antwerpen auf. Wie war es für Sie und die übrigen Bandmitglieder, die Musik, der Sie einen großen Teil Ihrer musikalischen Karriere gewidmet haben, endlich vor Publikum zu spielen?

Vor einem so großen Auditorium an der Seite eines kompletten Orchesters aufzutreten war sehr bereichernd und in der Tat eine unglaubliche Erfahrung. Dies gab Alan schlussendlich die Zuversicht für weitere Live-Auftritte und wir begannen, durch in die USA, Südamerika und Europa zu touren. Zu unserem Erstaunen realisierten wir, wie bekannt wir doch in manchen Ländern waren und es war toll, beweisen zu dürfen, dass wir unsere Songs wirklich live spielen können.

Nachdem Parsons seine Solokarriere begonnen und seine Partnerschaft mit Woolfson beendet hatte, waren Sie einer der Protagonisten auf Alans Alben und bewiesen dabei Ihre Qualitäten als Songwriter. TRY ANYTHING ONCE, ON AIR und THE TIME MACHINE haben Ihnen in puncto Komposition viel zu verdanken. Ich denke, es war eine gute Chance für Sie, sich endlich auch als Autor zu zeigen.

Diese Projekte gaben mir tatsächlich die Gelegenheit, meine Songs mit anderen zu teilen. Ich habe schon immer Musik komponiert und geschrieben, doch die Möglichkeit, sie zu präsentieren, war einfach wunderbar. In der Vergangenheit habe ich auch an einigen Stücken für Pilot und Panarama mitgewirkt, aber ich denke, ON AIR ist mein Meisterwerk.

Das Project muss derweil zwei schmerzliche Verluste beklagen: Eric Woolfson und Chris Rainbow. Möchten Sie Ihre persönlichen Erinnerungen in Bezug auf die beiden mit uns teilen?

Sie fehlen mir beide sehr. Eric hatte ein ausgesprochen freundliches Wesen und einen bemerkenswerten Sinn für Humor. Und auch Chris war ein sehr talentierter und humorvoller Mensch. Wir hatten viele schöne gemeinsame Momente.

Stehen Sie immer noch in Kontakt mit Alan Parsons und den anderen Mitgliedern des Projects?

Überwiegend mit Stuart Elliott, David Paton, Richard und Laurie Cottle. Seit Alan nach Amerika gezogen ist und seine neue Band gegründet hat, haben wir uns irgendwie aus den Augen verloren.

Ihre Karriere als Session-Musiker ist beneidenswert. Sie arbeiteten für Kate Bush, hauptsächlich – aber nicht nur – bei THE KICK INSIDE und LIONHEART. An was erinnern Sie sich, wenn Sie daran denken, was Sie an ihrer Seite erlebt haben?

Nun, sie war und ist eine äußerst talentierte Musikerin. Sie wusste immer, was sie wollte, aber auch hier gab es Raum für eine gute Zusammenarbeit, die von Vertrauen und künstlerischer Freiheit geprägt war.

Paul McCartney wollte, dass Sie und David Paton die Backing-Vocals für Mull Of Kintyre einsingen. Wie kam es zu dieser spontanen Zusammenarbeit und welchen Stellenwert haben die Beatles für Sie?

Die Beatles waren unser aller großes Vorbild. Als wir in Abbey Road aufnahmen, war Paul bereits bei Wings und wir liefen uns ständig über den Weg. Ich glaube, er bat uns darauf mitzusingen, weil Mull of Kintyre ein schottisches Volkslied war.

1980 schlossen Sie sich Jon Anderson als Mitglied der New Life Band an und nahmen gemeinsam mit John Giblin, Morris Pert, Ronnie Leahy, Dick Morrissey, Chris Rainbow und vielen anderen an den Aufnahmen für das Album SONG OF SEVEN teil. Wie sind Sie zur Band gekommen?

Ich glaube, es war John Giblin, der mich Jon Anderson vorgestellt hat. Es war sehr nett, er war äußerst entspannt und lobte meine Performance in den höchsten Tönen.

Auf dem KEATS-Album, das von Alan Parsons produziert wurde, spielen Sie zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Pete Bardens, einem ehemaligen Camel-Mitglied. Was sind Ihre Erinnerungen an diesen großartigen Keyboarder?

Es ist lange her, aber an seiner Seite zu spielen war eine tolle Erfahrung.

Apropos Camel: Was denken Sie über Andy Latimers Gitarrenstil?

Sehr guter und einfühlsamer Musiker. Obwohl wir unterschiedliche Stile haben, halte ich ihn für einen brillanten Gitarristen.

Neben der Mitwirkung an den Aufnahmen zahlreicher Alben standen Sie im Laufe Ihrer Karriere auch oft live auf der Bühne. Was war für Sie erfüllender: die Studioarbeit oder die Live-Auftritte?

Natürlich live zu spielen. Das Feedback des Publikums ist ein Gefühl, das man nicht beschreiben kann.

Sie haben ebenfalls viel für den japanischen Musikmarkt gearbeitet und mit großartigen Musikern wie Simon Phillips, Bill Bruford, Max Middleton, John McLaughlin und Kuma Harada im Studio gestanden. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit japanischen Künstlern?

Sowohl Pilot als auch das Alan Parsons Project sind in Japan sehr angesagt. Daher luden mich einige japanische Musiker ein, auf ihren Alben mitzuwirken.

Stimmt es, dass Sie nie einen Manager hatten und dass Sie Ihre Kontakte innerhalb der Musikbranche selbst pflegten und Ihre geschäftlichen Angelegenheiten eigenständig regelten?

Wir hatten einige schlechte Erfahrungen mit Managern gemacht, also habe ich gewisse Dinge selbst in die Hand genommen. Während unserer Tour hatten wir Manager und am Ende war unser Geld verschwunden. Traurig, dass man Menschen nicht vertrauen kann.

Spielen wir das klassische „Einsame-Insel-Spiel“. Wenn Sie nur drei Alben, an denen Sie mitgearbeitet haben, auf eine einsame Insel mitnehmen könnten, welche Alben würden Sie wählen?

FREUDIANA, ON AIR und THE TURN OF A FRIENDLY CARD.

Und wenn Sie auf dieselbe einsame Insel nur eine Akustikgitarre, eine E-Gitarre und einen Verstärker mitbringen könnten, was würden Sie dann einpacken?

Eine Taylor-Akustikgitarre, eine Vintage-E-Gitarre von Paul Reed Smith und einen Fender-Verstärker.

1997 trauten Sie sich ans Saxofon heran, welches bald zu Ihrem zweitliebsten Musikinstrument wurde. Finden Sie, dass es eine gewisse Affinität zwischen Saxofon und Gitarre gibt?

Ja, das würde ich sagen. Auf beiden kann man Solos spielen.

2015 haben Sie Gitarre auf Comfortably Numb gespielt, das auf dem Album mit dem Titel THE ROYAL PHILHARMONIC ORCHESTRA PLAYS PROG ROCK CLASSICS enthalten ist. Wie war es für Sie, mit David Gilmours Stil zurechtzukommen?

Gar kein Problem, denn Richard Cottle, der es produzierte, bat mich, mein eigenes Solo in meinem eigenen Stil zu spielen.

Haben sich Ihre Wege und die von Pink Floyd schon einmal gekreuzt?

Ja, vor einigen Jahren. Ich habe sie als Band und Gilmour als Gitarristen immer bewundert.

Haben Sie irgendwelche Vorlieben in der Welt des Progressive Rock?

Auch hier gehören Pink Floyd, Yes, Genesis und Steely Dan zu meinen Favoriten.

Wenn Sie einem jungen Mann, der sich für das Gitarre spielen interessiert und der davon träumt, eines Tages ein professioneller Gitarrist zu werden, einen Rat geben sollten, was würden Sie ihm empfehlen?

Üben und versuchen, seinen eigenen Stil zu finden. Ich denke, man sollte sich zunächst auf den eher technischen Ansatz konzentrieren, aber nie vergessen, beim Spielen auch seine Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Die Musikindustrie hat sich stark verändert, daher fällt es mir schwer, einen konkreten Rat zu geben, aber der Beginn von allem ist, seinen Träumen zu folgen.

Haben Sie musikalisch einen Traum und hoffen, ihn eines Tages wahr werden zu lassen?

Eine gemeinsame Jam-Session mit meinen alten Weggefährten. Ein nicht allzu hoch gestecktes Ziel!





Ein großes Dankeschön an Leila Bairnson für ihre wunderbare Unterstützung.

Februar 2018