Interview mit David Paton
Aus dem italienischen Musikmagazin „Prog Italia“ Nr. 30 – Mai 2020
 
 
Auf den Saiten von
DAVID PATON

Von Francesco Ferrua
Deutsche Übersetzung aus dem Englischen von Ingo Brönstrup


David Paton wurde am 29. Oktober 1949 in Edinburgh geboren und hat die Welt der Musik maßgeblich auf seinem Weg durch diverse Musikstile und Genres geprägt. Seine Saiten – die seines Basses, seiner Gitarre oder seine stimmlichen – waren in der Lage, uns tief zu bewegen.



David, was waren Ihre ersten Schritte in der Welt der Musik, auf Ihrem Weg, ein mit einer großartigen Stimme ausgestatteter außergewöhnlicher Bassist zu werden, der heute eine beneidenswerte internationale Karriere vorweisen kann?

Meine erste Gitarre bekam ich im Alter von elf Jahren während eines Familienurlaubs in San Sebastian, Spanien. Der Stierlauf war ein denkwürdiger Teil dieser Reise; irgendwie geriet ich dort hinein und wurde von mehreren wütenden Bullen die Hauptstraße entlang gejagt. Einen nachhaltigen Eindruck hinterließ bei mir der Anblick eines spanischen Jungen meines Alters, der Gitarre spielte
das war für mich sowas wie eine Erweckung. Er saß auf einem Fensterbrett und ich hockte auf dem Bürgersteig, sah ihm zu und lauschte diesem wunderschönen Klang. Ich bedrängte meine Eltern, mir eine Gitarre zu kaufen, bis sie schließlich nachgaben.
Für die Rückreise nach Edinburgh wurde sie in einem Karton verstaut und tauchte erstaunlicherweise ohne einen Kratzer auf dem Transportband des Flughafens wieder auf. Monatelang bemühte ich mich, mithilfe von Lehrbüchern für Gitarre und allen möglichen Noten, die ich in die Finger bekommen konnte, das Gitarrenspielen zu erlernen.
Als ich 16 war, entdeckte meine Schwester in der Evening Newspaper eine Anzeige, in der ein Leadgitarrist gesucht wurde. Die Band waren die Beachcombers und die Castings fanden in einem örtlichen Club statt. Ich besaß weder einen Verstärker noch eine anständige Gitarre, aber der Verlobte meiner Schwester war Konzertmusiker und lieh mir für das Vorsprechen seinen Selmer-Verstärker und eine Fender Stratocaster. Ich bekam den Job und konnte mein Glück kaum fassen. Die Beachcombers waren eine der Top-Bands Edinburghs und sie waren großartig. Ihre Musik bewegte sich zwischen Soul und R&B, mit Songs wie: Ain’t Too Proud To Beg, 634-5789, I’m A Soul Man oder Baby I Need Your Loving.

Ihren ersten großen Schritt in die Welt der Schallplattenindustrie machten Sie 1974 mit Pilot. Gemeinsam mit der Band knüpften Sie eine besondere Verbindung zum inzwischen verstorbenen Billy Lyall, dem Keyboarder und Ihrem Co-Autor der Songs des Debütalbums FROM THE ALBUM OF THE SAME NAME. Welche Erinnerungen haben Sie an Billy und Ihre künstlerische Partnerschaft?

Billy und ich haben uns bei den Bay City Rollers kennengelernt. Wir wurden Freunde und besuchten regelmäßig die Musikbibliothek in Edinburgh, um Noten für Gitarre und Flöte auszuleihen (Billy war ein ausgezeichneter Flötist). Ich verließ die Bay City Rollers, besuchte aber weiterhin die Musikbibliothek. Eines Tages traf ich Billy, als ich das Gebäude verließ. Wir trafen an der Tür aufeinander und es schien ihm peinlich zu sein, mich zu sehen. Er wurde rot im Gesicht und murmelte zunächst etwas. Es regnete, als wir in der Tür standen und uns höflich unterhielten. Die Bedeutung dessen spiegelt sich in dem Lied The Library Door wider, das ich darüber geschrieben habe und in dem ich versuchte, dieses Treffen zu beschreiben. Das war buchstäblich die Geburt von Pilot und ein entscheidendes Treffen für uns beide.
Er erzählte mir, dass er kurz nach meinem Weggang bei den Rollers hingeschmissen hatte und nun in den Craighall Studios als Toningenieur arbeite. Craighall war eine Tochtergesellschaft von EMI und machte Aufnahmen mit vielen schottischen Künstlern. Wir unterhielten uns darüber, wieder etwas gemeinsam zu machen und er sagte, er könne Studiozeit organisieren, um eigene unserer eigenen Songs aufzunehmen: „Du kannst Bass und Gitarre spielen und ich spiele Klavier und Flöte“, sagte er. Er lud mich ein, in der darauffolgenden Woche zum Studio zu kommen. Craighall hat mich wirklich umgehauen, es war ein sehr professionelles Studio mit einer ausgezeichneten Ausstattung. Billy spielte mir einige der Lieder vor, die er geschrieben und aufgenommen hatte. Das war interessant, weil Billy sich um die Aufnahme kümmerte und alles selbst spielte und sang. Seine Lieder waren wirklich gut und nahmen mich völlig gefangen. Das war genau die richtige Motivation für mich, mehr Zeit in das Schreiben von Liedern zu investieren. Wir vereinbarten einen Starttermin und ich verließ Craighall voller Vorfreude auf die Aussicht, mit Billy aufzunehmen.
Die ersten Aufnahmen waren sehr ungeschliffen und das Songwriting halbgar, wir konnten uns also nur steigern. Billy und ich verbrachten viel Zeit damit, gemeinsam Musik zu hören und zu spielen. Elton John war einer unserer großen Favoriten und wir liebten sein Album MADMAN ACROSS THE WATER. Wir besuchten auch einige Konzerte, darunter eine Aufführung von Mozarts Zauberflöte. Unsere Musik nahmen wir sehr ernst und die Zeit im Studio stand hoch im Kurs und wurde mit Respekt behandelt; so entspannt es auch war: wir waren zum Arbeiten dort. Normalerweise konnten wir am selben Abend eines von Billys und eines meiner Lieder fertigstellen, mit gesenktem Kopf und ohne Ablenkungen, als hätten wir eine Mission. Es war eine hervorragende musikalische Partnerschaft und wir waren auch persönlich gute Freunde.

Pilot markierte den Beginn Ihrer Zusammenarbeit mit Alan Parsons und kurz darauf die Geburtsstunde des Alan Parsons Project, bei dem Sie auf musikalischer Ebene eine entscheidende Rolle dabei spielten, den Ideen von Alan und Eric Woolfson Leben einzuhauchen.

Eric rief mich an und begann, mir von seinen Ideen für das Alan Parsons Project zu berichten. Wir trafen uns am Flughafen Heathrow und führten dort unsere ersten Gespräche. Eric hatte Billy, Stuart (Tosh) und Ian (Bairnson) ebenfalls gebeten, auf dem ersten Album, TALES OF MYSTERY AND IMAGINATION, mitzuspielen, was bedeutete, dass Pilot im Studio 2 Abbey Road mit Alan am Steuer wieder zusammen waren. Die Aufnahmen begannen vielversprechend und Erics Songwriting und Klavierspiel beeindruckten mich sehr. Er machte uns auf entspannte Art mit seiner Musik vertraut, indem er am Klavier saß, eine Note spielte und sagte: „So Leute, was könnt ihr damit anfangen?“ Wir haben viel Zeit damit verbracht, an den Songs und Arrangements zu feilen. Es herrschte eine angenehme Arbeitsatmosphäre und meistens waren wir mit den Ergebnissen zufrieden. Alan übernahm die Rolle des Produzenten, in musikalischer Hinsicht mischte er sich nicht ein. Er hat produziert, was wir geschaffen haben, und er hat es sehr gut gemacht.

Die Alchemie zwischen Alan und Eric brachte eine Reihe von Alben hervor, die bis heute in der Geschichte der internationalen Pop-Rock-Musik verankert sind. Wie war für Sie damals das Gefühl, ein wichtiger Teil dieses Projekts zu sein – als Bassist und gelegentlich auch als Sänger – und wie denken Sie heute an diese Erfahrung zurück?

Die Arbeit mit dem APP hat mir Spaß gemacht, die Musik war gut und die Stimmung im Aufnahmestudio war entspannt. Wir spielten das, was unserer Meinung nach zu den Songs passte, die Eric schrieb. Ich wünschte, sie hätten sich dafür entschieden, live zu spielen, als wir noch Erfolg hatten. Sie lehnten die Idee jedes Mal ab, wenn ich es Ihnen vorschlug. Damit war ich reichlich unglücklich und als Elton John mich bat, mit ihm auf Tour zu gehen, konnte ich dem Angebot nicht widerstehen und verließ das Project kurz vor den Aufnahmen zu GAUDI.

Nichtsdestotrotz waren Sie einige Jahre später Teil der Band beim ersten und einzigen Live-Auftritt des Alan Parsons Project, der 1990 beim Musikfestival „Night Of The Proms“ in Belgien stattfand. Bei dieser Gelegenheit sangen Sie Old And Wise und spielten bei verschiedenen Songs Akustikgitarre. Was führte aus Ihrer Sicht zu dieser konkreten Zusammenarbeit?

Alan rief mich an, berichtete mir von dem Konzert und ich dachte: „Endlich will er live spielen!!!“. Nach diesem Konzert brach der Kontakt aber wieder ab.

Zusammen mit dem Gitarristen Ian Bairnson gehören Sie zu denjenigen, die sich stets größte Mühe gegeben haben, Alan und Eric davon zu überzeugen, ihre Musik live zu spielen. Allerdings ohne Erfolg, zumindest bis zum Beginn von Alans Solokarriere mit TRY ANYTHING ONCE und der ersten richtigen Tour im Jahr 1994. Hat Alan Sie nicht kontaktiert, um in der Live-Band mitzuwirken? Warum gab es für Sie im Gegensatz zu anderen Mitgliedern wie Ian, Stuart Elliott, Richard Cottle und Andrew Powell nach der „Night Of The Proms“ im Jahr 1990 nie wieder eine Gelegenheit, für Alan zu spielen?

Ich habe nie verstanden, warum sie mich nicht gebeten haben, mit ihnen aufzutreten. Nachdem ich aber die Schauergeschichten von Stuart und Ian hörte, bin ich heilfroh, nicht dabei gewesen zu sein. Möglicherweise haben meine Schutzengel über mich gewacht.

Sehr interessant, darf ich es wagen, Sie zu fragen, welche Geschichten Ian und Stuart Ihnen über die Tour mit Alan erzählt haben?

Mir wurde gesagt, dass der Agent mit dem ganzen Geld abgehauen sei und niemand bezahlt wurde. Das ist jedenfalls die Geschichte, die Ian und Stuart erzählt wurde. Ist da was dran? Hat irgendwer das Geld veruntreut und Ian und Stuart nicht bezahlt?

Im Lauf der letzten Jahre haben Sie zwei Tribute-CDs für das Project veröffentlicht, auf denen Sie einige der größten Hits von Alan und Eric neu interpretieren. Trotz allem scheinen Sie dem Project noch tief verbunden zu sein, und auffällig viele Ihrer Aussagen lassen auf eine große Bewunderung und aufrichtige Dankbarkeit gegenüber Woolfson schließen.

Ich habe versucht, zu verdeutlichen, dass Eric Woolfson der Mastermind hinter dem Project war. Er war vollständig verantwortlich für die Musik, die Themen jedes Albums, das Artwork, die Musiker und die Verhandlungen mit der Plattenfirma. Alan hat ein paar Instrumentalstücke geschrieben, aber das war auch schon sein einziger musikalischer Beitrag. Ich fand es sehr unfair, dass Erics Rolle als Schöpfer des Alan Parsons Project nicht genügend anerkannt oder gewürdigt wurde. Außerdem war Ian sehr verärgert darüber, dass Alan beschlossen hatte, die Live-Auftritte ohne ihn fortzusetzen, er war wirklich am Boden zerstört. Als 2014 bei Ian eine Demenz diagnostiziert wurde, schlug ich ihm vor, einige der Tracks nur zu unserem eigenen Vergnügen aufzunehmen. Wir freuten uns darüber, wieder zusammenzuarbeiten, und so haben wir schließlich das Album gemacht. Es wurde an Ians Geburtstag als Hommage an ihn und Eric veröffentlicht.

In den legendären Abbey Road Studios zu Hause zu sein, hat es Ihnen ermöglicht, mit einer Vielzahl von Künstlern mit unterschiedlichem musikalischem Hintergrund in Kontakt zu kommen. Einschließlich Camel für die Alben THE SINGLE FACTOR (1982) und STATIONARY TRAVELLER (1984).

Andy Latimer fragte mich, ob ich für das NUDE-Album verfügbar wäre, leider hatte ich keine Zeit. Später rief er mich wegen der Aufnahmen für THE SINGLE FACTOR an. Ich stand parat, um mit Camel aufzunehmen, und hatte großen Spaß an der Arbeit mit ihnen. Andy ist ein sehr liebenswürdiger und herzlicher Typ. Eins kam zum anderen und ich wurde immer intensiver in Andys Arbeit eingebunden. Wir haben uns sowohl auf menschlicher Ebene als auch im Studio gut verstanden.

Sie haben auch sporadisch an der Seite von Latimer an DUST AND DREAMS (1991) und HARBOR OF TEARS (1996) gearbeitet. Alben, die den Anfang von Camels Wiedergeburt nach deren Umzug in die USA markierten. Stehen Sie heute noch im Kontakt mit Andy?

Ich habe derzeit keinen Kontakt mehr zu ihm. Als Chris Rainbow starb, schrieb ich ihm. Zwar antwortete er auf meine E-Mail, aber wir führten die Korrespondenz nicht fort.

Auf dem Album KEATS (1984) sind die Hauptmitglieder des Projects zusammen mit Pete Bardens am Keyboard und Parsons als Produzent zu hören. In Ihrer Karriere haben Sie mit so einigen Keyboardern zusammengespielt: Was sind Ihre speziellen Erinnerungen, wenn Sie an ihn und seiner Herangehensweise an sein Keyboardspiel denken?

Zum ersten Mal traf ich Pete Bardens 1982 bei den Aufnahmen zum Camel-Album THE SINGLE FACTOR. Er war nur einen Tag dort, um etwas für den Track Sasquatch einzuspielen. Er war in sich gekehrt und völlig vertieft in die Musik, die er spielte. Obwohl ich glaube, dass einige Leute ihn missverstanden haben und es ihnen schwerfiel, sich mit ihm anzufreunden, mochte ich ihn und konnte seine Leidenschaft nachempfinden. Pete war ein Musikbesessener und äußerte seine Ideen recht unverblümt. Manchmal war es schwierig, ihn dazu zu bringen, sich der Denkweise der anderen Bandmitglieder anzuschließen. Als Keyboarder war er ziemlich gut darin, das richtige Solo oder den richtigen Sound für den Song, an dem er arbeitete, zu finden, und er kam schnell auf neue Ideen. Davey Johnstone bei Elton war ihm darin sehr ähnlich. Pete steuerte wichtige Beiträge zum KEATS-Album bei. Seine Songs und seine Art zu spielen, prägten die Atmosphäre des Albums. Ich schätzte seine Kompositionen sehr und ich besuchte ihn bei ihm zu Hause in London. Wir verbrachten lustige und entspannte Abende, jammten und hörten Musik. Das waren gute Zeiten. Allerdings habe ich gelernt, dass nichts ewig währt. KEATS waren sehr vielversprechend und es ist schade, dass EMI die Option für ein weiteres Album nicht gezogen hat.

Fish, der damalige Kopf von Marillion, ist ein weiterer, der Anfang der Neunziger auf Sie zugekommen ist, sowohl für verschiedene Alben (INTERNAL EXILE, SONGS FROM THE MIRROR, SUITS) als auch für Live-Konzerte. Was sind Ihre Erinnerungen an ihn und seine Musik?

Die Band war großartig und hat die Musik gemeinsam im Studio eingespielt. Er war ein Oger, ein Tyrann und keine sonderlich nette Gesellschaft. Ich glaube, dass es ein Fehler war, in seiner Band mitzumachen.

Die Prog-Szene scheint Sie seinerzeit ernsthaft anerkannt zu haben: sogar Rick Wakeman wollte Sie damals an seiner Seite haben und auch für ihn war es ein Doppelengagement im Aufnahmestudio und live auf der Bühne.

Mein Freund Jon Turner kannte Tony Fernandez, Ricks Schlagzeuger. Rick spielte ein Konzert in Edinburgh und Tony lud „Jon +1“ zu diesem Konzert ein – ich war der „+1“.
Ich konnte mit Ricks Musik nicht allzu viel anfangen, da sie nicht mehr viel mit Yes gemeinsam hatte und es fiel mir schwer, den Gig zu genießen. Nach der Show trafen wir Rick und die Band in ihrem Hotel. Wir schreiben das Jahr 1988, Elton hatte der Band mitgeteilt, dass er ein Jahr pausieren würde. Ich lebte immer noch in Berkshire und in der Nähe von Wraysbury gab es ein Studio, das Brian Adams gehörte (nicht Bryan Adams). Brian hatte ein bisschen was von einem Gauner, ein bisschen was von einem Aufschneider, war aber ein sympathischer Hallodri. Er managte sowohl Rick als auch Denny Laine, Denny sang bei den Moody Blues (Go Now). Ich wurde gebeten, eine Bass-Session für Rick zu machen. Als ich ankam, war Rick mit dem Toningenieur im Kontrollraum und hörte sich mit ihm ein ziemlich kompliziertes Musikstück an.
Wir stellten einander vor und ich mochte ihn und seine umgängliche Art sofort. Er fragte, ob ich mit dem gerade gespielten Song zufrieden sei und ich antwortete, dass ich ihn ein paar Mal hören müsste und dann bereit wäre, aufzunehmen. Er sagte: „OK, kein Problem“ und verschwand im Studio. Ich wurde gebeten, mich stärker in seine musikalischen Projekte einzubringen, was ich gerne tat. Das Album, an dem ich mitgearbeitet habe, war TIME MACHINE. Diese Art von Musik gefiel mir besser als die Stücke, die ich bei seinem Konzert gehört hatte. Wir hatten gerade die Proben für eine Tour beendet und die dazugehörigen Termine geplant, als ich einen Anruf von Charlie Morgan erhielt, der mir sagte, dass Elton ein paar Gigs spielen wollte und ob ich Interesse hätte. Das brachte mich in eine Zwickmühle. Ich sagte Charlie, dass ich Rick wirklich im Stich ließe, wenn ich von seiner Tour abspringen würde, also war meine Antwort: „Nein, ich kann das nicht“. Das tat mir sehr leid. Ich habe eine großartige Chance ausgeschlagen, weil ich Rick nicht enttäuschen wollte. Diese Entscheidung werde ich auf ewig bedauern.
Wir begannen als Band aufzutreten, Tony Fernandez (Schlagzeug), Ashley Holt (Gesang), Rick und ich, gelegentlich gesellte sich Dzal Martin (Gitarre) dazu. Es war großartig, ich begann, die Komplexität der Musik zu lieben und Tony und ich waren bald eine eingeschworene Rhythmusgruppe. Es folgte das Album THE NEW GOSPELS und wir machten uns auf den Weg nach Israel, um mit dem Haifa Symphony Orchestra zu spielen. 1990 nahmen wir das Album AFRICAN BACH auf. Eine südafrikanische Firma wollte, dass wir für sie in Johannesburg ein Video aufnehmen Ich sagte Rick, dass ich das aufgrund der damaligen Regeln der Musikergewerkschaft nicht machen könne. Ich hatte die Musikergewerkschaft angerufen und sie gefragt, ob ich in Johannesburg ein Video drehen könnte und mir wurde gedroht, auf die schwarze Liste gesetzt zu werden, wenn ich in Südafrika auftrete. Schließlich einigte man sich darauf, dass wir in Swasiland filmen durften. Wir beendeten einen Auftritt in Brighton und Rick nahm mich beiseite.
Er sagte: „Lass uns spazieren gehen“. Wir gingen am Strand entlang und Rick erzählte mir, dass er vorhabe, ein paar Konzerte als Duo geben zu wollen.  Ihm schwebte ein eher klassischer Rahmen für seine Konzerte vor, nur ich am Bass und an der akustischen Gitarre und Rick an den Tasten. Die Idee gefiel mir, aber als ich nach dem Honorar fragte, sagte er mir, dass es für jeden Auftritt das gleiche bleiben würde, wie es derzeit sei. Ich sagte ihm, dass ich damit nicht zufrieden sei, da ich viel mehr als nur als einfacher Bassist beisteuern würde und er die anderen Jungs nicht bezahlen müsste. Er schützte seine „Armut“ vor und ich warf ein, dass er einen Rolls Royce hätte. Seine Antwort war: „Man kann arm sein trotz eines Rolls Royces in der Garage“. Daraufhin sagte ich ihm, dass ich von seinem Gehalt nicht leben könne und ich zusätzlich mit anderen Musikern zusammenarbeiten müsse, womit er kein Problem zu haben schien. Wir bestritten eine schöne gemeinsame Tour, auf der wir die Stücke seines THE CLASSICAL CONNECTION-Albums spielten.

Okay, Elton mussten Sie absagen, aber es scheint, dass Sie trotzdem eine gute Zeit mit Rick hatten und viele schöne Live-Gigs mit ihm bestritten haben. Deshalb frage ich mich, weshalb Sie trotzdem ein gewisses Bedauern verspürten.

Ich liebe die Musik. Musik machen macht Spaß und mit Rick zusammenzuarbeiten war ein großes Vergnügen für mich. Die Zusammenarbeit mit Elton war eine völlig andere Liga.

Viele Arbeiten, an denen Sie zwischen den späten 1970er und frühen 1980er Jahren als Session-Musiker beteiligt waren, spielten Sie unter der Leitung des großen Andrew Powell (David Courtney, Chris de Burgh, Elaine Paige, Chris Rea, Kate Bush u.v.a.). Was können Sie uns über Ihre Beziehung zu Andrew erzählen?

Andrew war ein Freund von Alan Parsons. Er arrangierte das Orchester für Magic und einige andere Pilot-Songs. Zwischen uns entwickelte sich eine gute Freundschaft und wir blieben regelmäßig in Kontakt. Andrew rief mich immer bezüglich interessanter Sessions an. Wir treffen uns immer noch und ich habe vor ein paar Jahren mit ihm an einem Projekt in Peter Gabriels Real World Studios gearbeitet. Andrew und seine musikalischen Fähigkeiten genießen meinen größten Respekt.

Reden wir über Kate Bush: Ich habe mich immer gefragt, warum Sie und die anderen Mitglieder des Alan Parsons Project – der Band an ihrer Seite auf den ersten beiden Studioalben THE KICK INSIDE und LIONHEART – bei ihrer ersten und einzigen Tour, der sogenannten Tour Of Life im Jahr 1979, nicht live auftraten.

Als wir anfingen, mit Kate zu arbeiten, hatte sie ihre eigene Band. Damals mangelte es ihnen aber an Studioerfahrung, also machten wir die Studiosessions. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir für die Live-Auftritte gebucht würden.

Als Mitglied von Elton Johns Band über mehrere Alben und Tourneen zwischen 1985 und 1988 hinweg hatten Sie auch die Gelegenheit, 1985 beim denkwürdigen Live Aid vor 72.000 Zuschauern auf der Bühne des Wembley-Stadions in London zu stehen.

Ja, das war ein absolutes Highlight meiner Karriere. Es war ein großes Privileg und aufregend, mit Elton John auf der Bühne zu stehen.

Welches der beiden Erlebnisse war für Sie nach all den Alben und Konzerten Ihrer Meinung nach die größte Erfüllung?

Ich genieße beides aus sehr unterschiedlichen Gründen. Das Schaffen im Studio macht mir große Freude und das erneute Anhören der Ergebnisse ist eine fantastische Erfahrung. Die Studioarbeit erfordert von uns Musikern ein hohes Maß an Akribie und man ist sich immer bewusst, dass das, was man spielt, von vielen Menschen gehört wird. Es bleibt für immer, also musst du es richtig machen. Auf der Bühne zu stehen, erfordert weniger Disziplin und es gibt Spielraum für Improvisationen, wenn der Song dies zulässt. Auch das Feedback des Publikums spielt bei Live-Auftritten eine große Rolle.

Sie haben Ihr Können am Bass oft auch mit dem Fretless unter Beweis gestellt. Was ist Ihre Herangehensweise an dieses Instrument? Haben Sie sich an bestimmten Bassisten orientiert, als Sie begonnen haben, Fretless-Bass zu spielen?

Der Fretless ist expressiver als ein Bundbass. Allein die Möglichkeit, mit Vibrato zu spielen, sorgt für eine leidenschaftlichere Ausdrucksweise des Instruments. Ich habe Jaco Pastorius gehört – als ich jünger war, liebte ich sein Spiel, auch wenn ich nie so schnell spielen konnte, aber es gab mir etwas, das ich anstreben konnte.

Man sollte nicht vergessen, dass Sie auch ein versierter Gitarrist sind. Nur wenige sind sich dessen bewusst, dass der großartige Ian Bairnson auf FROM THE ALBUM OF THE SAME NAME von Pilot nur eine sehr marginale Rolle spielt. Fühlen Sie sich in Ihrem Herzen eher als Gitarrist, Bassist oder Sänger?

Wenn ich auftrete, bin ich Bassist. Wenn ich meine eigene Musik mache, bin ich auch Gitarrist. Ich bin kein echter Leadgitarrist wie Ian Bairnson, aber ich spiele klassische Gitarre und habe großen Spaß daran. Ebenso wie am Komponieren eines Gitarrensolos oder eines Gitarrenparts.

Sie haben auch eine lange Reihe von Soloalben veröffentlicht, die größtenteils von Ihnen selbst vermarktet und direkt über Ihre Website verkauft wurden. Wie sehen Sie die Zukunft der Plattenindustrie? Sie scheinen jemand zu sein, der erfreulicherweise immer noch an physische Tonträger glaubt und nicht an die sogenannte „flüssige Musik“, also Downloads oder Streaming.

Ich möchte die Zukunft der Musik lieber nicht vorhersagen. Heutzutage downloade ich, wie alle anderen auch, aber ich bevorzuge es nach wie vor, physische CDs zu veröffentlichen.

Sie hatten schon immer eine starke Beziehung zur traditionellen schottischen Musik, wie Ihr erstes Soloalbum, PASSIONS CRY, das 1991 erschien, zeigt. Liegen dort Ihre musikalischen Wurzeln?

Mein Kunstlehrer in der Schule, Roy Williamson, schrieb eines der berühmtesten Lieder Schottlands: Flower Of Scotland. Er war Teil einer Folk-Gruppe namens The Corries. Ich mag traditionelle Musik und habe mit vielen schottischen Künstlern zusammengearbeitet. Das liegt mir im Blut.

Zwischen den späten Achtzigern und den frühen Neunzigern haben Sie auch für einige italienische Künstler gearbeitet, darunter Ron, Renato Zero und Matia Bazar. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Erlebnisse?

Ich liebe italienische Musik. Puccini zu hören ist für mich immer noch ein sehr emotionales Erlebnis. Mein Vater machte mich schon in sehr jungen Jahren mit der Oper bekannt. Pagliacci (dt.: „Der Bajazzo“) von Leoncavallo, hatte einen großen Einfluss auf mich, nachdem mein Vater mir die Geschichte dahinter erklärte. Die Zusammenarbeit mit Ron hatte eine ähnliche Wirkung. APRI LE BRACCIA E POI VOLA war das Album, an dem ich gearbeitet habe und es ist immer noch eines meiner Favoriten. Auch der Aufenthalt in Genua war ein großes Vergnügen.

Was sind für Sie Ihrer Meinung nach in musikalischer Hinsicht die drei Höhepunkte Ihrer Karriere?

Drei Höhepunkte? OK, die Aufnahmen in Abbey Road wären der erste Höhepunkt, schließlich war es der Beatles-Workshop. Für jeden Songwriter ist das Schreiben eines Nummer-Eins-Hits das Ziel, das ist mir mit January gelungen. Als Musiker ist die Zusammenarbeit mit Elton für mich eine Realität, von der viele nur träumen können.

Und welches sind die Alben, denen Sie sich auch heute noch am meisten verbunden fühlen und auf die Sie am ehesten stolz sind?

Ich mag alle Alben, an denen ich beteiligt war. Ich kenne sie in- und auswendig und sie alle bereiten mir Vergnügen. Es ist nicht nur mein Bass, auf den ich achte, ich höre die Musik gerne so, wie ein Zuhörer sie hören möchte, als Gesamtes.

Kürzlich haben Sie erklärt, dass Sie sich aus der Live-Szene zurückgezogen haben, nachdem Sie mit Albert Hammond auf einer längeren Bühnentournee waren. Stehen Sie zu dieser Aussage oder können wir noch die Hoffnung haben, Sie wieder einmal live spielen zu sehen?

Ich habe kürzlich noch eine Konzertreihe mit Pilot in Großbritannien gecancelt. Zuerst sagte ich „Ja“, dann ging ich in mich und kam zu dem Schluss, dass ich nicht mit Herz und Seele dabei war. Ich mache das, was ich tue, aus Spaß und Vergnügen und sehe, dass die Organisation einer Tour einigen Stress mit sich bringt, und ich möchte keinen Stress mehr in meinem Leben haben. Wenn mir ein Angebot für einen Live-Auftritt zusagen sollte, überlege ich vielleicht, noch einmal auf die Bühne zu gehen. Ich glaube aber, dass die vier Jahre, in denen ich mit Albert Hammond zusammengearbeitet habe, in mir den Wunsch geweckt haben, wieder ins Studio zu gehen und kreativ zu sein. Seit ich Albert und ich im Oktober 2019 getrennte Wege gingen, habe ich ANOTHER PILOT PROJECT veröffentlicht, ein Album mit der japanischen Band Sheep fertiggestellt und mit einem weiteren Soloalbum begonnen. Daher sehe ich die Zeit im Studio als viel konstruktiver an als die Live-Arbeit.

Wie sieht die musikalische Zukunft von David Paton aus?

Es wird sich alles um den kreativen Prozess im Studio drehen. Die Arbeit mit Sheep war eine Herausforderung und hat großen Spaß gemacht. Es ist ein Album, zu dem ich viel beigetragen habe. Ich habe die Songs selbst und gemeinsam mit meinen japanischen Freunden geschrieben. Außerdem singe ich alle Lieder, spiele Bass und Gitarre und bin über die Zusammenarbeit überglücklich. Mein nächstes Soloalbum ist auf einem guten Weg, 60 Prozent der Songs sind bereits geschrieben. Ich glaube also nicht, dass ich die Studioarbeit so schnell aufgeben werde.


Januar 2020